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Nie wieder!

Rede unserer Sprecherin Christina zum Tag der Befreiung auf der 43. BMV


Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht, was das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung der Welt vom deutschen Faschismus bedeutete. Die Versprechen, die mit dem Ende des Krieges und des deutschen Verbrecherregimes einhergingen waren groß: Entnazifizierung - damit verbunden vor allem: Nie wieder.


Doch die Geschichte der BRD, die wieder und wieder als gigantische Erfolgsgeschichte, frei von Nazis, erzählt wird, ist im Großen und Ganzen eine Lüge. Gleich zwei Bundesklanzler mit NSDAP Vergangenheit hat die CDU dem Westdeutschland der Nachkriegszeit beschert: Kurt Kiesinger und Ludwig Ehrhard. Nazis waren überall zu finden, vor allem in Verwaltung, Justiz und Politik. Die Entnazifizierung hat ihr Versprechen nicht einhalten können. Das liegt vor allem an einem großen Irrtum: Wenn geplant wird, eine Gesellschaft von den Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten zu befreien, geht man davon aus, dass es nur wenige von ihnen gibt und diese in Machtpositionen sitzen. Genau diese Geschichte, vom "deutschen Volk" als Opfer Hitlers, ist das Märchen, auf dem die Erfolgsgeschichte beruht, die bis heute in Schulen in Deutschland verbreitet wird. Denn Fakt ist: Die überwältigende Mehrheit der Menschen in Deutschland hat den Nationalsozialismus sowohl theoretisch, als auch praktisch unterstützt. Der überwiegende Teil der Gesellschaft waren Mittäter*innen, waren Nazis. Genau daran müssen wir im Zusammenhang mit dem Tag, an dem sich die Befreieung Deutschlands von denen jährt, die diese Idologie in stattlichen Instituationen in Gesetze gegossen haben, erinnern.

Auch die Geschichte vom "Nie wieder" hat immer wieder Risse bekommen. Rechter Terror ist mit der deutschen Geschichte auch nach 1945 eng verwoben. Gerade heute, genau 76 Jahre später, erleben wir eine gigantische Welle von rechtem Terror.


Erst vor wenigen Tagen ermordete eine Mitarbeiterin einer Wohneinrichtung in Potsdam 4 Menschen mit Behinderung. In Hanau starben vor kaum mehr als einem Jahr 9 Menschen bei einem faschisischten Attentat. Nicht einmal ein halbes Jahr vorher starben bei einem rechten Anschlag in Halle 2 Menschen, nachdem ein Attentäter daran scheiterte, ein Massaker in einer Synagoge zu begehen.

Der Mord an Walter Lübke in Kassel wird von Angehörigen seiner eigenen Partei nach wie vor als Einzelfall abgetan. Und dies obwohl einerseits immer mehr Kommunalpoltiker*innen, die sich gegen Rechts engagieren von Faschist*innen bedroht werden. Gerade die Stadt Kassel war Schauplatz eines der Morde des NSU -

dem letzten nach dem gängigen Schema des NSU, dem Mord an Halit Yozgat.

Als eines lässt sich Deutschland also auch 76 Jahre nach der Befreiung von der nationalsozialistischen Herrschaft mit Sicherheit nicht bezeichnen: Frei von Nazis - Entnazifiziert.

Auch der grausamste Baustein der nationalsozialistischen Ideologie hat die Befreiung überdauert: Antisemitismus zieht sich nach wie vor durch das Gedankengut und die Taten von großen Teilen der Geselschaft. Bildung und Aufklärung dazu finden wenig statt. Das zeigt sich nicht zuletzt an Fällen wie Jana aus Kassel, die sich und ihren Protest mit antisemtischen Verschwörer*innen für eine Tat hält, die mit der Widerstandsgruppe um Sophie Scholl im dritten Reich vergleichbar ist. Wer auf einer Demonstration spricht und gleichzeitig denkt, in dem Maße poltisch verfolgt zu sein, wie es die Opfer der Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten in Deutschland während Hitlers Herrschaft waren, hat jeglichen Realitätssinn verloren. Noch schlimmer ist aber, dass solche Aussagen im Ergebnis die Verbrechen der nationalsozialistischen Terrorherrschaft verharmlosen. Jana aus Kassel ist leider nur ein Beispiel für den Antisemitismus aus Reihen der Querdenker*innen, die heute gegen Vernunft und Solidarität auf die Straßen gehen.


Daneben sehen wir den parlamentarischen Arm, den die Wissenschaftsfeind*innen an ihrer Seite wissen. Mit der AfD sitzt eine faschistische und antisemitische Partei im Bundestag und in allen Landesparlamenten. Nicht, weil die Leute durch geschickte Manöver der Partei getäuscht werden und deren Verfassungsfeindlichkeit nicht kennen. Die AfD wird gewählt, weil sie verfassungsfeindlich ist. Diese Erkenntnis ist wichtig, um sich von der Wiederholung des Märchens der Unwissenden zu lösen, die ohne eigenes Zutun, ohne eigene Schuld unter die Herrschaft von Faschist*innen geraten sind.


Doch leider ist der Wille, Wähler*innen des Faschismus an sich zu binden, nicht nur in der AfD vorhanden. Die CDU beweist mit der Nominierung von Hans Georg Maaßen, Ex-Verfassungsschutzpräsident, Schützer von Rechten und notorischer Lügner, dass sie gewillt ist Politik der AfD zu machen, um die AfD überflüssig zu machen. Auch hierin zeigt sich: Denjenigen, die sich selbst als Mitte bezeichnen ist selten zu trauen. Meistens sind sie im besten Fall Opportunist*innen, die Antifaschismus über Bord werfen, sobald es en vogue ist.


Um das Alles aufzuarbeiten sind Hochschulen ein guter Ort. Der Ort, an dem Erkentnisse zusammengetragen werden, um gesellschaftliche Zusammenhänge zu begreifen und so strukturelle Schwachstellen zu erkennen. Er scheint wie geschaffen, den Kampf gegen den Faschismus mitzuführen. Und doch waren es Studierende, die den Kampf der Nazis mitgetragen und sich begeistert der verbrecherischen Ideologie angeschlossen haben. Studierende waren es, die Wissen und Kunst in Form von Büchern verbannt haben.

Insofern ist es an uns, den Kampf gegen Faschismus in Selbstreflexion und im eigenen Umfeld zu führen. Nie wieder!


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